Glücksspiel

Wenn sich die Spielregeln für Entwickler ändern – Wie neue EU-Standards Free-to-Play-Mechaniken neu definieren

Free-to-Play-Games bestimmen seit Jahren den Spielemarkt. Virtuelle Währungen, zeitgesteuerte Belohnungen, kosmetische Zusatzkäufe oder Lootboxen gehören zur Standardausstattung moderner Spielökonomien. Doch das Grundgerüst, auf dem diese Mechaniken ruhen, ist in Bewegung geraten. Mit der geplanten Digital Fairness Act der Europäischen Union rückt eine Regulierung in greifbare Nähe, die nicht nur den Verbraucherschutz, sondern auch zentrale Elemente des Game-Designs betreffen könnte. Während Studios wie Supercell bereits deutliche Warnungen formulieren, rüstet sich die Branche insgesamt für einen tiefen strukturellen Wandel. 

Ein neues regulatorisches Umfeld entsteht

Die Digital Fairness Act befindet sich derzeit in der Konsultationsphase der Europäischen Kommission. Ihr Ziel ist es, digitale Umgebungen transparenter, sicherer und fairer zu gestalten – vor allem für Minderjährige. Im Mittelpunkt stehen Mechaniken wie virtuelle Währungen, variable Belohnungsmodelle oder intransparente Kaufprozesse, die in vielen Free-to-Play-Spielen zentral sind. Anders als der Digital Services Act und der Digital Markets Act zielt die DFA nicht auf Plattformstrukturen, sondern auf die Gestaltung digitaler Produkte selbst.

Die EU prüft dabei, wie stark virtuelle Güter und Wahrscheinlichkeitsmechaniken reguliert werden sollten. Parallel dazu hat das Europäische Parlament im Oktober 2025 empfohlen, Lootboxen für Minderjährige zu verbieten und verpflichtende Alterskontrollen einzuführen. Nationale Vorstöße – etwa die Einstufung von Lootboxen als Glücksspiel in Belgien und den Niederlanden – verstärken den politischen Druck zusätzlich. Auch wenn die DFA noch kein finaler Gesetzestext ist, formt sich bereits ein klarer Rahmen: Monetarisierung im digitalen Raum soll nachvollziehbarer, berechenbarer und weniger manipulationsanfällig werden.

Supercell schlägt Alarm – wunder Punkt der Branche

Kaum ein Studio steht so exemplarisch für das Free-to-Play-Modell wie Supercell, die Spiele basieren auf virtuellen Währungen, die Spielfortschritt, kosmetische Inhalte oder Premiumaktionen ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wirkt die Warnung von CEO Ilkka Paananen besonders eindrücklich. Er befürchtet, dass virtuelle Spielwährungen künftig wie Finanzinstrumente behandelt werden könnten. Im Extremfall würde das bedeuten, dass jede Verwendung eines Tokens – selbst der Kauf einer digitalen Mauer oder eines Boosters – als rechtlich relevante Transaktion gewertet wird.

Das würde den Spielfluss erheblich beeinträchtigen und die wirtschaftliche Struktur des Modells infrage stellen. Seine Kritik richtet sich weniger gegen Verbraucherschutz als gegen pauschale, undifferenzierte Regulierung, die legitime Spielmechaniken mit riskanten Praktiken gleichsetzt.

Warum Entwickler die Regeln neu denken müssen

Auch unabhängig von Supercells Position zeigt sich, dass die Anforderungen an Spieleentwickler steigen. Die politische Erwartung an Transparenz hat sich deutlich verschärft. Künftig dürfte es nicht mehr ausreichen, virtuelle Güter oder Loot-Belohnungen lediglich im Spielkontext zu erklären. Stattdessen sollen Spieler klar erkennen können, welchen realen Wert ein digitales Gut hat und wie hoch die Wahrscheinlichkeit bestimmter Belohnungen ist. Besonders im Umgang mit Minderjährigen wird erwartet, dass Spiele deutliche Hinweise, Ausgabenbegrenzungen und nachvollziehbare Kontrollmechanismen bieten.

Während digitale Spiele bisher eigene, weitgehend unregulierte Monetarisierungslogiken entwickeln konnten, zeigt ein Blick auf andere Bereiche, wie stark sich Transparenz und Verbraucherschutz unterscheiden können. Wenn Spieler etwa im regulierten Glücksspiel echtes Geld einsetzen und an Formaten wie Pokerturnieren oder ähnlichem teilnehmen, sind die Bedingungen transparent und die Anbieter durch verschiedene Behörden lizenziert. Undurchsichtige Gewinnchancen haben hier keinen Platz. 

Hinzu kommen steigende Anforderungen an den Jugendschutz. Die EU drängt auf robuste Altersverifikation und strengere Ausgabensteuerung, die den Zugriff junger Nutzer spürbar einschränken könnte. Viele Entwickler werden dadurch gezwungen sein, ihre Interfaces, Mechanik-Varianten und Preismodelle zu überarbeiten oder unterschiedliche Versionen für verschiedene Altersgruppen bereitzustellen.

Gleichzeitig verändert sich die Monetarisierungslandschaft selbst. Wenn Lootboxen oder variable Belohnungssysteme regulatorisch unter Druck geraten, gewinnen alternative Modelle an Bedeutung. Studios investieren zunehmend in klar strukturierte Battle-Pässe, kosmetische Premium-Bundles oder hybride Geschäftsmodelle, die Werbung, Abos und Premium-Content kombinieren. Auch kleinere Entwickler müssen flexibler werden, da neue Compliance-Anforderungen technische und finanzielle Ressourcen binden.

Besonders komplex ist die regionale Fragmentierung des europäischen Marktes. Schon heute gibt es in einzelnen Ländern unterschiedliche Regeln für In-Game-Mechaniken. Die DFA könnte hier langfristig Vereinheitlichung bringen, doch bis dahin müssen Studios oft mehrere Versionen desselben Spiels pflegen. Dieser Aufwand betrifft nicht nur große Unternehmen, sondern auch Indie-Studios, die bislang besonders stark auf Free-to-Play-Modelle gesetzt haben.

Die Zukunft digitaler Spiele wird nicht nur am Bildschirm entschieden, sondern zunehmend auch in europäischen Gremien.

Quellen:

https://www.gamedeveloper.com/business/supercell-ceo-claims-proposed-eu-regulations-around-digital-currencies-will-kill-how-games-work-

https://www.pocketgamer.biz/supercell-ceo-warns-crippling-eu-regulations-could-kill-europes-games-sector

https://www.osborneclarke.com/insights/eu-digital-fairness-act-unpacked-simplification-measures

https://gameworldobserver.com/2025/10/08/the-eus-fight-against-dark-patterns-in-games-could-kill-european-game-development-says-the-head-of-supercell

https://www.euronews.com/next/2025/10/19/public-consultation-for-digital-fairness-act-exposes-europes-survey-sore-spots

https://www.deconstructoroffun.com/blog/2025/10/13/supercell-vs-eu-how-europe-risks-killing-its-golden-goose

https://flint-global.com/blog/will-the-upcoming-digital-fairness-act-rewrite-the-rules-of-online-commerce/